Die ersten Turnstunden

Wie sahen die ersten Turnstunden im Verein aus?

Das Ganze hatte einen leicht militärischen Charakter nach dem Vorbilde Turnvater Jahns.

Der Größe nach antreten, stramm stehen, abzählen, rührt euch.

Weißes, kurzärmliges Turnhemd und schwarze Satinhose bis an die Knie, schwarze Stoffschuhe mit Schweinsledersohlen, manche barfuß. Wer kennt sie nicht, die ersten Turner, zu Witzfiguren degradiert.

Doch damals war es alles andere als witzig, sondern äußerst mutig und bewunderungswürdig, den Körper zu stählen, dadurch den Geist zu beflügeln, im Unterbewusstsein dem Feinde überlegen. Man gab sein Bestes. Am Universal-Turngerät übte man Riesenschwung, Rolle, Überschlag usw.

Diese einfachen Übungen war für die Untrainierten echte Leistungen. Leichter war es mit den Leibesübungen (Freiübungen): Brust raus, Bauch rein, Beine spreizen, Rumpf beugen, Arme kreisen usw. Mit viel Freude und Eifer war man dabei. Am Ende stand man noch einmal stramm und mit einem kräftigen «Gut Heil» beendete man die Turnstunde.
 

Bereits am 26. März 1905 wurde der Verein in den Hegau Turngau aufgenommen

Bald stellte der damalige Bürgermeister Johann Schnur einen Übungsplatz zur Verfügung und zwar im heutigen «Stadtgarten». Damals wurde der Platz noch mit Kartoffeln und Welschkorn (Mais) bestellt.
Schmiedemeister Konrad Löhle lieferte zwei U-Eisen für ein Reck und Wagnermeister Adolf Rothmund fertigte einen Barren an. Beide Geräte wurden auf dem Platz fest montiert. Als man später winters über im Saale turnte, schaffte man bewegliche Geräte an. Ein Pferd ist den Altturnern noch gut in Erinnerung.
Es wurde vom Gründungsvorstand Küfermeister Robert Hangarter, der noch den echten Küferschlag konnte (Dichter des Wangener Liedes und Sammler von Pfahbautenresten) fachgerecht gewerkelt. Ein schöner glatter runder Holzklotz auf vier stabilen Füßen mit zwei soliden Holzgriffen.

Das erste Fest war eine Christbaumfeier am Neujahrstage 1905. Leibesübungen wurden vorgeführt, als Krönung eine Pyramide. Auch gab es eine Gabenverlosung. Der schönste Preis war ein kleines Essigfässchen mit der Jahreszahl des Turnverein Gründung 1904, wieder vom Küfermeister kunstvoll gefertigt.
Zu jeder Weihnachtsfeier gab es ein neues, noch schöneres Fässchen. Einmal mit zwei Kammern und zwei Zapfen. Die eine Hälfte für Rotwein war aus rotem Zwetschgenholz, die andere für Weißwein aus Ahornholz. Leider sind diese Fässchen, außer dem ersten, nicht mehr vorhanden.

Überhaupt wusste man Feste zu feiern

Fasnachtsveranstaltungen, Gartenfeste, Waldfeste und man nahm an auswärtigen Turnveranstaltungen teil. Im zweiten Vereinsjahr wurde zum ersten mal gewandert. Morgens um 3.00 Uhr ging‘s los, rund um den Schienerberg.
Man hatte sich inzwischen eine Festtagskleidung angeschafft: weißes Turnhemd und lange weiße Leinenhosen, eine feuerrote, breite und zwei Meter lange Schärpe mehrfach um die Taille geschlungen. Auf dem Kopfe einen kreisrunden Strohhut mit einem frischen Blumensträußchen daran.

Vor jeder Ortschaft stellte man sich in Reih und Glied auf, der eigens aus dem Militärverein engagierte Tambour vorweg. So marschierte man fröhlich durch die Dörfer. Auf dem Rückwege ging‘s durch Stein am Rhein.
Der Tambour fing an, den Thurgauer Marsch zu trommeln. Da gingen die Fenster auf und die stolzen Turner wurden von Jung und Alt freudig begrüßt. Man hatte ein gutes Verhältnis zu allen Nachbarvereinen sowie auch zu den Schweizer Vereinen.